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Samstag, 8. September 2012

Written by me: Rollenerwartungen

Ich bin weiblich, 16 Jahre alt. Habe grüne Augen und blonde, lockige Haare. Ich liebe Musik, bin aber eher unbegabt. Am liebsten mache ich Sport, und lese. Meistens Thriller. Ich trage eine Brille, so eine mit einem schwarzen dicken Rand, aber ich finde ich sehe damit nicht aus wie so ein Oberstreber. Das klingt vielleicht eingebildet, aber mein Gesicht passt einfach zu meiner Brille. Viele meiner Mitmenschen würden vermutlich sagen, dass ich ein Nerd bin, aber ich sehe das nicht als Beleidigung. Ich meine es ist doch gut, intelligent zu sein. Damit stehen einem viele Türen offen. Irgendwann werden die Leute, die mich jetzt auslachen, bemerken, dass sie die Zeit besser hätten anders nutzen sollen. Aber das ist was anderes. Im Allgemeinen bin ich relativ zufrieden mit mir selbst, ich habe eine eigentlich gute Figur und finde mich auch nicht übermäßig hässlich. Ich fühle mich in meiner Clique wohl und habe die besten Freunde der Welt.
Das sind so die wichtigsten Dinge, die ich über mich zu erzählen habe. Oh und natürlich meinen Namen: Luisa. Es scheint mir oft so, als sei ich mir in Allem, was ich tue komplett sicher, und jeder Schritt, den ich gehe, ist bewusst in eine bestimmte Richtiung gewählt. Ich bin ein sehr kontrollierter Mensch, der genau weiß woran er ist.
Aber neulich haben wir im Unterricht Rollenerwartungen durchgenommen. Und seitdem analysiere ich mein Leben, wie eine schlechte Daily-Soap oder so einen typischen amerikanischen Highschool-Film und mir ist aufgefallen, dass das wirklich funktioniert, denn jeder Mensch hat eine Rolle in diesem riesigen Gefüge Leben. Irgendwie kommt mir nun mein ganzes Leben wie eine Aufführung eines berühmten Dramas vor, das jeder schon mindestens 200 Mal in verschiedenen Ausführungen gesehen hat. Und trotz anderer Bühnenbilder, Kostüme oder Stile, bleibt es doch immer noch das gleiche Stück. Es sind die gleichen Rollen mit den gleichen Charakterzügen, die die gleichen Entscheidungen treffen,was wiederrum eine Kette meist böser Umstände hervorruft. Und so weiter und so fort. Oh, und natürlich sind die Schauspieler auch andere, die immer etwas Eigenes mit einbringen, was es vorher noch nicht gegeben hat.
Seit heute Morgen habe ich angefangen, Rollen zu verteilen: Das gibt es natürlich die allseits beliebten Footballer, in meinem Fall Fußballer, auf die jedes Mädchen insgeheim steht, aber die  begehrten Jungs sind bloß einer Gruppe zugeteilt: Den Cheeleadern. Die gibt s aber an unserer Schule nicht. Also sind es die Mädchen, die im Sport-Leistungskurs sind. Alle anderen finden diese Beteiligten natürlich am besten, aber schnell wird der Zuschauer bemerken, wie fies die Fußballer und Sportlerinnen eigentlich sind, wenn sie nicht mit ihresgleiche sprechen. Das krasse Gegenteil bilden die Streber. Sie sind immer zusammen und gründen eine Naturwissenschafts-AG, für die sich niemand interessiert. Alle meiden diese Freaks. Sogar ich. Ich meine, wie kann man abends im Bett bitte das Grundgesetz lesen?! Normal ist das nicht mehr mit denen. Aber unter den Strebern gibt es immer ein hübsches Mädchen, das eigentlich ganz anders ist. Sie findet dann irgendwann Anschluss bei den Sportlerinnen, weil sie mit dem Kapitän der Fußballmannschaft zusammenkommt. Da unsere Streber nur hässliche (Tut mir leid, aber man muss auch mal ehrlich sein dürfen) Jungs sind, fällt diese Rolle einfach mal weg. Dann gibt es noch die Orchestermusiker und die Chormädchen. Alle wirken etwas prüde, haben aber bei näherer Betrachtung den besten Humor und sind ein wirklich gutes Team. Wenn wir schon im musischen Bereich sind, dürfen wir die Poeten, die auch eher knapp besetzt sind, und die Künstler nicht vergessen. Über die bildet sich jeder seine eigene Meinung. Dann die Metaller. Diese harten Jungs sind in Wirklichkeit gar nicht so hart, und gehören zu den besten Freunden die man haben kann. Max, mein bester Freund, gehört auch zu denen. Besonders nervig sind die Jungs, die sich für die größten halten und somit immer anzügliche Witze machen. An die kann man sich aber gewöhnen. Die Hippies und Individuellen sorgen immer für guten Gesprächsstoff und eigentlich relativ meinungsneutral. Natürlich gibt es dann noch all diese guten Seelen wie die Zuhörer, die immer gute Ratschläge haben, und all die anderen Freundinnen die bestimmte Aufgaben übernehmen, um eine Clique am Laufen zu halten.
Das sind alles ziemlich viele Leute, und ich habe bestimmt viele vergessen. Aber wenn ich so nachdenke, läuft es mir kalt den Rücken herunter: Ich gehöre nirgendwo hin. Es gibt nichts, was ich so gut kann, dass ich zu einer meiner Gruppen dazugehöre. Bin ich also so jemand, der die ganze Bühne aufbaut, und dann nicht mal einen  Dankesblumenstrauß bekommt? Plötzlich bekomme ich richtig Angst, dass ich irgendwann alleine darstehe, weil ich mich nirgends einbringen kann. Und ich fühle mich schrecklich in meiner Haut. Alle Freundinnen, denen ich von meiner Theorie erzählt habe, schüttelten nur den Kopf und hielten das alles für Quatsch, aber ich mache mir ernste Sorgen.
Eigentlich war es ja garnicht so schlimm in keine Gruppe zu gehören, denn was mir eine solche Angst macht, ist, dass ich selber nicht weiß wer ich bin und was mich ausmacht. Wie ein unbeschriebenes Blatt. Keiner hat irgendeine Erwartung in mich oder Ideen, was aus mir mal werden soll...
Dieser Morgen ist für mich eine Qual. So einsam und erdrückt habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, und ich beginne, die anderen nocheinmal zu beobachten, und mir fallen wichtige Dinge auf: Einer der Streber, aus dessen Tasche ein Stollenschuh ragt. Eine Violinistin, die Kafka im Aufenthaltsraum liest. Freiwillig. Ein Klavierspieler im schwarzen In Flames-Shirt.  Und auch Max fällt mir auf, denn er blättert mit gedankenverloren in seinem Notenordner und spielt auf der Tischkante Klavier. Und es trifft mich wie ein Schlag!
Es gibt keine Rollen oder Rollenerwartungen im echten Leben. Jeder hat seine eigene Rolle, die er selbst schustern kann, wie er möchte. Das erleichtert mich irgendwie, und ich fange an, mich selbst ganz anders zu sehen, denn es geht mir nicht mehr darum, eine Sache perfekt zu können, sodass ich mich nur über diese Sache definieren kann, sondern darum, sich selbst zu entfalten, und das zu tun, was einem gefällt. Und je mehr man ausprobiert, desto mehr Dinge wird man finden, in denen man gut ist, und dann werden diese Dinge anfangen ein Teil von uns zu werden.
Denn jeder ist sein eigener Regisseur...

4 Kommentare:

  1. Krass! Genauso ist das auch auf meiner Schule! Ich finde es aber gut, dass man bei uns wegen der grundverschiedenen "Cliquen" nicht fertiggemacht wird o.Ä. Es ist einfach so, dass die Schule einen so hart rannimmt, dass die "Coolen" gar keine Zeit haben, irgendwelche zu mobben. Ich persönlich gehöre zur "guten Mittelschicht" und verstehe mich mit fast allen gut. Mit einigen habe ich aber auch einfach gar nichts zu tun... Brauche ich ja auch nicht. ;)

    Schön geschrieben! Und danke für dein liebes Kommentar, das ist soo lieb! <3
    Weiter so!

    LG, Lydia

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  2. Hast du das mit den Gruppen wirklich gemacht? Also alle deine Bekannten und Freunde eingeordnet? Dann würde mich nämlich interessieren, wo ich ... :D

    Vermiss dich <3

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  3. Haha high school musical! :D

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